Estremoz, die portugiesische Stadt des Marmors

Die Stadt Estremoz liegt im Distrikt ´Évora und gehört daher zur Region Alentejo. Die Kleinstadt als solches verfügt gegenwärtig über knapp 8000 Einwohner, und wenn man die umgebenden Kleingemeinden einschließt, über etwa 13.000 Einwohner. Die geringe Größe von Estremoz hat den Vorteil dass man die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten in relativ kurzer Zeit entdecken kann. Woher der Name der Stadt Estremoz kommt, ist bisher allerdings unbekannt und kann erstmals im Jahr 1258 in einem offiziellen Dokument nachgewiesen werden, allerdings noch unter dem Namen Stremoz.
 
Estremoz ist seit der römischen Epoche für seinen ausgezeichneten Marmor (mármore) bekannt, der von der Qualität und dem Aussehen her jenem aus dem italienischen Carrara extrem nahe kommt. Dies erklärt auch warum man in Estremoz, und sehr vielen anderen Städten der Umgebung, überall Marmor findet, auf öffentlichen Plätzen, in Kirchen, als Türschwellen und selbst als Straßenbelag. Auch beim Bau des Templo Romano de Évora (Römischer Tempel in Évora) griff man teilweise auf Marmor aus Estremoz zurück, wie auch beim ursprünglichen Altar der Sé de Évora (Kathedrale von Évora).

Estremoz, die Stadt des Marmors im Alentejo
Foto: Herbert Kårlin

Das Gebiet der heutigen Stadt Estremoz wurde vermutlich erst von den Mauren (Mouros) erstmals besiedelt, auch wenn Archäologen nachweisen konnten dass in der Nähe von Estremoz bereits zur Altsteinzeit, also dem Paläolithikum (Paleolítico), Menschen lebten, und in Santo Estévão konnten auch Reste von den Westgoten (Visigodos) nachgewiesen werden. Geschichtswissenschaftler gehen jedoch davon aus dass Estremoz erstmals von den Römern (Romanos) besiedelt wurde, wenn auch nur von einer kleineren Gruppe und vor allem um dort Marmor abzubauen.
 
Während der Reconquista war Estremoz mehrmals sehr umkämpft, ähnlich der nahe liegenden Stadt Évora. Erst Mitte des 13. Jahrhunderts gelang es, unter Sancho II, Estremoz in das neue portugiesische Reich einzugliedern, wobei man auch unmittelbar mit dem Bau des Castelo de Estremoz begann. Alfonso III entschied sich dann bereits im Jahr 1258 Estremoz die Marktrechte zu verleihen, den Bau der Stadtmauer zu beauftragen und die gesamte Verteidigung der Stadt festzulegen. Zwei Jahre später wurde bereits der Burgfried (Torre de Menagem oder Torre das Três Coroas) an der höchsten Stelle von Estremoz erbaut.
 
Im Jahr 1336 starb Königin Santa Isabel, die Ehefrau des Königs Dom Dinis, in Estremoz, der Stadt, in die sich die Königin nach dem Tod ihres Mannes zurückgezogen hatte um einen Krieg zu verhindern.
 
Während der Revolution der Jahre 1383 bis 1385 gehörte Estremoz zu den Städten in Alentejo, die sich gegen den spanisch-freundlichen Stadthalter und die Invasionen Kastilien wehrten. Bei der Schlacht in nächster Nähe von Estremoz gelang es der Bevölkerung von Estremoz dann endgültig in das portugiesische Reich einzugliedern.
 
Diese ständigen Kämpfe während der Reconquista führten dazu dass die Stadt Estremoz immer mehr befestigt wurde, was Besucher noch heute sehr deutlich entdecken können. Einer der letzten großen Kämpfe Portugals wurde 1659 bei Estremoz ausgetragen, als die kastilische Armee Elvas genommen hatte und bis Estremoz vordringen konnte. Hier fanden die bedeutendsten Kämpfe während des Restaurationskrieg (Guerra da Restauração) statt, der damit endete dass sich die spanischen Truppen nach Badajoz zurückziehen mussten.
 
Und auch während der Nelkenrevolution (Revolução dos Cravos) spielte Estremoz eine wichtige Rolle, denn am 25. April 1974 brach von hier aus die Kavallerie nach Lissabon (Lisboa) auf um die Diktatur des Estado Novo (Neuer Staat) durch einen Militärputsch zu beenden. Anschließend wurde eine provisorische Regierung eingesetzt, was 1976 schließlich zu freien Wahlen und der Übergabe der Staatsgewalt an ein gewähltes Parlament und dem Dritten Portugiesischen Republik führte.
 
Die bedeutendste Sehenswürdigkeit in Estremoz ist das Castelo de Estremoz (Burg von Estremoz), die während der Reconquista (Rückeroberung) erbaut wurde, genau genommen ab der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Auch wenn große Teile der Festung zerstört wurden, so handelt es sich beim Torre de Menagem (Burgfried) um den am besten erhaltenen Burgfried Portugals, der zudem aus Marmor errichtet wurde.
 
Der Torre de Menagem kann über den königlichen Palast Paço Reial (königlicher Palast) erreicht werden, den König Dom Dinis für seine Frau Rainha Santa Isabel (Königin Santa Isabel) im 13. Jahrhundert erbauen ließ. Der Palast wurde mittlerweile in ein Hotel verwandelt, das einen guten Blick über die Stadt bietet, wenn auch zu einem gehobenen Preis.
 
Die Kirche Igreja conventual de São Francisco geht bis zum 13. Jahrhundert zurück und ist die Erweiterung der um diese Zeit vorhandenen Einsiedelei, die San Bento gewidmet war. In der Kirche gotischen Stils wurden mehrere für die Geschichte Portugals wichtige Personen begraben. Seit 1924 gehört diese Kirche zu den Nationalmonumenten Portugals, wobei vor dem Eingang der Kirche auch das bekannte Kreuz von São Francisco steht.
 
Das Kloster Convento dos Congregados reicht bis zum Jahr 1698 zurück und wurde Ende des 19. Jahrhunderts staatliches Eigentum. Heute handelt es sich bei diesem Kloster um das Rathaus von Estremoz in dem auch die Stadtbibliothek und das Museu de Arte Sacra de Estremoz untergebracht ist.
 
Der Núcleo Museológico de Estremoz ist mehr bekannt als das Museu Ferroviário de Estremoz (Eisenbahnmuseum) und liegt in einem 1990 still gelegten Bahnhof. Für alle sich für die Geschichte der portugiesischen Eisenbahn interessiert, ist dieses Museum geradezu ein Muss. Hier findet man, unter anderem auch die Dampflok 020-001, die 1882 in Deutschland gebaut wurde.
 
Das Museu Municipal de Estremoz Prof. Joaquim Vermelho ist in einem Gebäude aus dem 13. Jahrhundert untergebracht, das allerdings während der folgenden Jahrhunderte vier Mal renoviert und teilweise auch umgebaut wurde, wobei in diesem Gebäude bereits ein Hospital, eine Schule und anderes mehr untergebracht war. Ab 1982 wurden dann temporäre Ausstellungen geboten, und seit 2003 handelt es sich hierbei um das städtische Museum von Estremoz.
 
Das Centro Ciência Viva de Estremoz lässt den Besuchern die Entwicklung unserer Erde, aber auch jene unseres Universums entdecken und entstand in Zusammenarbeit mit der Universität Évora. Dieses Zentrum dient der Verbreitung von wissenschaftlichem Allgemeinwissen im Alentejo.
 
Das Museu da Alfaia Agrícola (Landwirtschaftsmuseum) in Estremoz zeigt dem Besucher insbesondere landwirtschaftliche Geräte, die während der Landwirtschaftsmesse des Jahres 1987 in Estremoz präsentiert wurden und bereits heute Teil der Geschichte der portugiesischen Landwirtschaft ausmachen. Natürlich wurden nicht alle der damals ausgestellten Geräte gezeigt, sondern nur ein Teil der rund 4000 Ausstellungsstücke des Jahres 1987.
 
Erst im Jahr 2022 wurde auch das Museu do Regimento de Cavalaria (Militärmuseum) in Estremoz geöffnet in dem man 300 Jahre des Regimentes, an Hand von Fahrzeugen und anderem Kriegsmaterial, entdecken kann. Das Museum ist innerhalb der Mauern der Dragonerkaserne zu finden, wobei man hierbei auch einen Blick in die dort stationierte Kavallerie werfen kann.
 
Die Stadt Estremoz wurde unter Afonso III (Alfons III.) befestigt, so dass auch die Muralhas Medievais (Stadtmauern) aus dieser Zeit stammen, auch wenn diese von den Nachfolgern des Königs noch weiter ausgebaut wurden, aber leider auch im 17. Jahrhundert großteils zerstört wurden. Allerdings wurden damals mehrere der Stadttore erhalten, die heute noch betrachtet werden können, unter anderem die Porta de Évora, die Porta de Santa Catarina, die Porta de Santo António, die Porta dos Currais und die Porta de Santarém.
 
Der Lago do Gadanha ist ein 140 Meter langer künstlicher See im Zentrum von Estremoz, der bis zum Jahr 1688 zurückreicht und mit Marmor der Stadt gebaut wurde. Im Zentrum dieses kleinen Sees entdeckt man Gadanha, der die Vergänglichkeit des Lebens ausdrückt und im Grund den Gott Saturnus repräsentiert. Ein Widerspruch bei Gadanha ist indes dass dieser nicht nur die Vergänglichkeit, sondern auch die Ewigkeit ausdrückt.
 
Ende April jedes Jahres findet in Estremoz die Feira Internacional de Artesanato e Agro-Pecuária de Estremoz auf knapp 8000 Quadratmetern statt, die größte Landwirtschaftsmesse Portugals, die im Jahr 2023 zum 35. mal stattfindet.
 
Jeden Samstag findet nahe des Lago do Gadanha der größte Trödelmarkt des Alentejo statt, der gleichzeitig auch ein Wochenmarkt ist, und jeweils Tausende von Besuchern anzieht. Touristen können hier auch zahlreiche Spezialitäten des Alentejo finden.